Anders Leben/Wohnen/Kommune-Info-Tour 2006
Aus CONTRASTE Nr. 260 (Mai 2006)
RUECKBLICK AUF DIE KOMMUNE-INFO-TOUR 2006
Kommune on tour
Vom 3. Maerz bis 12. Maerz 2006 waren wir wieder unterwegs: Neun KommunardInnen aus sieben verschiedenen Kommunen und Wohnprojekten der politischen Kommuneszene. Zum zehnten Mal fand die Kommune-Info-Tour nun schon statt, bei der Menschen aus verschiedenen Projekten durch die Lande touren und ihre alternativen Lebensmodelle vorstellen und zur Diskussion stellen.
Uwe Ciesla, Redaktion Selbstorgan. Lebensgemeinschaften - In diesem Jahr
waren dabei die Kommunen Niederkaufungen bei Kassel, Karmitz und
Meuchefitz aus dem Wendland, die Kommune Waltershausen aus Thueringen,
der Olgashof bei Wismar, die Kommune Villa Locomuna aus Kassel sowie
mein Projekt, die Finkenburg bei Bremen.
Start fuer die diesjaehrige Tour war am 3. Maerz in Niederkaufungen. Von
da ging's nach einem leckeren Mittagessen weiter nach Bonn, wo wir im
Oscar-Romero-Haus zu Gast waren. Das Oscar-Romero-Haus ist ein
selbstverwaltetes Wohnprojekt, das aus der alternativen Christenbewegung
entstanden ist. Die Leute, die dort heute leben, hatten fuer uns die
Veranstaltung in Bonn organisiert und um es vorweg zu nehmen, es ist
ihnen hervorragend gelungen. Die meiste Zeit dort verbrachten wir mit
Proben, denn am 4. Maerz ab 19.00 Uhr sollte im "Kult 41" unsere
Premiere stattfinden. Das "Kult 41" ist ein selbstverwaltetes
Veranstaltungszentrum in der Naehe des Oscar-Romero-Hauses, das von
verschiedenen Gruppen genutzt wird, die hier Konzerte, Kneipenabende und
Ausstellungen organisieren.
Nachdem uns vor Aufregung erst mal ein Diamagazin runter fiel und die
ganzen Bilder im Raum verteilt lagen, lief der Rest der Veranstaltung
ganz gut ab. Ich schaetze mal es waren so 60 Leute da, die aus der
gesamten Umgebung angereist kamen. Begonnen wurden unsere
Veranstaltungen immer mit einem Sketch, bei dem wir zwei
WissenschaftlerInnen darstellten, die ein Forschungprojekt zum "Homo
Communardis" durchgefuehrt haben. Diese stellen verschiedene Thesen zum
Kommuneleben vor und spielen fiktive Videoaufnahmen aus den Kommunen
ein, die dann in Form von kurzen Szenen von den anderen live gespielt
wurden. Danach gab es eine von uns vorbereitete Tondiaschau zum Thema
Kommune und kurze Vorstellungen der auf der Tour vertretenen Projekte
sowie nach einer kurzen Pause Diskussions- und Fragerunden in Kleingruppen.
Nach Bonn ging es nach Wiesbaden, ins kollektiv betriebene Café Klatsch.
Der Aufbau im gut laufenden Caf‚betrieb war etwas schwierig fuer uns und
auch die Aufmerksamkeit der Besucher waehrend der Veranstaltung war
nicht so optimal. Obwohl das Caf‚ waehrend der Veranstaltung gut
gefuellt war, kam auch nur eine sehr kleine Fragerunde zustande.
Trotzdem haben wir uns im Klatsch sehr wohl gefuehlt, woran sicher der
trotz des ganzen Trubels nette Empfang und die guten Gespraeche mit den
Leuten vom Café‚ mitverantwortlich waren.
Naechste Station war das Jugendzentrum in Mannheim am 6. Maerz. Das
klassisch punkige Juz-Ambiente, das zusaetzlich noch durch den
Muellabfuhr-Streik in
Mannheim verstaerkt wurde, war fuer manche von uns erst mal ein kleiner
Kulturschock. Zu meiner Freude fand hier jedoch einige Stunden spaeter
unsere Veranstaltung mit der besten Publikumsresonanz statt. Ich war
naemlich der Verantwortliche, der den Kontakt zum JuZ hergestellt hatte,
so dass mich der gelungene Abend mit etwa 50 bis 60 Besuchern ganz
besonders freute. Im Gegensatz zu Wiesbaden nahmen hier sehr viele Leute
an den aeusserst interessanten Fragerunden teil, wozu sicher beitrug,
dass gleich mehrere Kommunegruendungsgruppen im Publikum vertreten
waren. Eine ist sogar gerade dabei in Ludwigshafen ein Objekt
in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Mietshaeuser-Syndikat zu
erstehen.
Nach Mannheim ging es dann weiter nach Kaiserslautern, wo wir von einer
Kommunegruendungsgruppe eingeladen waren (siehe
www.zeit-der-freiheit.de). Der Veranstaltungsort war hier wieder ein
kleiner Kulturschock, allerdings in anderer Art: Es war ein Hoersaal der
TU, mit festen Sitzreihen, Zeigestock und einer grossen Tafel, auf die
wir dann zur Auflockerung gleich mal zwei Kreide-Zeichnungen des "Homo
Communardis" platzierten. Die Fragen waren dem Veranstaltungsraum
entsprechend eher etwas theoretischer Natur. Nachdem wir alle Fragen
beantwortet hatten, beschlossen wir in eine nette Kneipe in der
Innenstadt umzuziehen, wo wir mit dem unerwarteten Besucherauflauf erst
mal die Bedienung gehoerig in Stress brachten. Unter den BesucherInnen
in Lautern war unter anderem auch der Szene-Autor Horst Stowasser, der
derzeit ebenfalls an einer Projektgruendungsgruppe beteiligt ist
(Kontakt: Verein Neuland, Petra und Klaus Weller, Tel. 06321 / 31223).
Nach dieser Veranstaltung goennten wir uns erst mal einen Pausentag auf
der Reinighof, einer schon recht alten Kommune mitten im Pfaelzer Wald.
Leider leben dort gerade nicht sehr viele Menschen, dafuer ist es umso
beachtlicher, was die dort alles auf die Reihe kriegen: Schafhaltung,
Garten, Schafwollprodukte-Verkauf, Lederwerkstatt, Holzwerkstatt,
Brotbacken, Renovierungen am Haus....
Im Anschluss ging's dann weiter nach Saarbruecken, wo wir im Café Exodus
eine etwas kleinere Veranstaltung mit ca. 25 ZuhoererInnen hatten.
Obwohl hier auch einige sehr nette Leute im Publikum sassen, wurde die
anschliessende Diskussionsrunde von Fragen bestimmt, bei denen man sich
nicht so sicher war, ob die Leute wirklich Antworten wollten oder sich
eher selbst darstellen. Aber auch damit kamen wir einigermassen klar.
Auch in Trier war der Veranstaltungsort, das dortige Multikulturelle
Zentrum, eher klein bemessen. Dafuer war es aber dann proppevoll und es
war ein sehr
interessiertes Publikum mit teilweise sehr konkreten Fragen an uns. Am
Samstag den 11. Maerz kam es dann noch zu einer Spontanveranstaltung im
Hunsrueck. Eigentlich war dieser Tag als reiner Fahrtag nach Bingen
geplant, wo wir als Abschluss der Tour eine Brunchveranstaltung geplant
hatten.
Auf der Strecke dort hin, waren wir von der Kommunegruendungsgruppe
"Sonnenhof" zum Essen und Gedankenaustausch eingeladen. Da wir nun schon
mal da waren, beschlossen wir, dass wir eigentlich auch unsere
Tondiaschau zeigen koennen und da die Resonanz darauf so gut war,
stellen wir, wie in unseren "anderen Veranstaltungen" auch, noch unsere
Projekte vor. Der Abschluss in Bingen war dann am folgenden Tag auch
sehr erfolgreich. Veranstaltungsort war wieder ein Jugendzentrum, das
vom Flair her dem in Mannheim nicht unaehnlich, dafuer aber wunderschoen
am Rhein gelegen war. Und hier kamen sogar tatsaechlich hauptsaechlich
juengere Leute, die bei den anderen Veranstaltungen eher in der
Unterzahl waren.
Fuer mich war es jetzt bereits die fuenfte Tour an der ich teilgenommen
habe und bemerkenswert fand ich den hohen Anteil an Gruendungsgruppen
bei den Veranstaltungen. Hier scheint sich gerade etwas zu tun. Toll war
auch, dass wir bei dieser Tour nicht einen einzigen Totalausfall hatten,
was die Zuschauerzahlen anging. Auch dies kann sicherlich als positives
Zeichen fuer die Kommunebewegung gewertet werden.
Uwe Ciesla ist CONTRASTE-Redakteur und Bewohner des Wohnprojektes Finkenburg, Kontakt: finkenburg ät verden-info.de